Das T2K-Experiment (Tokai-to-Kamioka) ist ein sogenanntes long-baseline Neutrinoexperiment in Japan. Es besteht aus einem Teilchenbeschleuniger, der einen Neutrinostrahl über eine Distanz von 300 km von Tokai zum SuperKamiokande Detektor in Kamioka schickt. Das Hauptziel ist die Untersuchung von Neutrino-Oszillationen. Neutrinos sind Elementarteilchen, die in drei „Geschmacksrichtungen“ (Flavor) existieren: Elektronen-, Myon- und Tau-Neutrinos. Sie wechselwirken nur über die schwache Kraft und sind sehr schwer nachzuweisen, da sie nur selten mit Materie wechselwirken. Elektronenneutrinos werden in großen Mengen in der Sonne erzeugt, und diese solaren Neutrinos sind in der Lage, die gesamte Erde zu durchqueren, ohne mit ihr in Wechselwirkung zu treten.
T2K hat nach Oszillationen zwischen Myon-Neutrinos und Elektron-Neutrinos gesucht und im Juni 2011 den ersten experimentellen Nachweis dafür bekannt gegeben. Diese Oszillationen waren vorher noch beobachtet worden. T2K führt auch Messungen von Oszillationen zwischen Myon-Neutrinos und Tauon-Neutrinos durch, die bereits in früheren Experimenten beobachtet wurden. Dies sind die bisher genauesten Messungen der Wahrscheinlichkeit dieser Oszillationen und der Massendifferenz zwischen den Neutrinos. (Genaugenommen misst T2K die Differenz der Quadrate der Neutrinomassen.)
Der T2K Neutrinostrahl
Das T2K-Experiment sendet einen intensiven Strahl von Myon-Neutrinos vom J-PARC Beschleunigerzentrum in Tokai, das an der Ostküste Japans liegt, nach Kamioka, das 295 km entfernt im Westen Japans liegt. Der Neutrinostrahl wird durch Kollisionen eines Protonenstrahls mit einem Graphittarget erzeugt. Bei diesen Kollisionen entstehen Pionen, die durch magnetische Vorrichtungen, die so genannten magnetischen Hörner, zu einem Strahl gebündelt werden. Diese Pionen zerfallen schnell in Myonen und Myon-Neutrinos. Die Myonen und die verbleibenden Protonen und Pionen im Strahl werden von einer zweiten Graphitschicht (dem so genannten Beam-Dump) aufgehalten. Nur die Neutrinos können diese Schicht passieren. Die Energie der Neutrinos im Strahl ist wichtig, da die Oszillationen davon abhängen: Neutrinos mit niedriger Energie oszillieren über eine kürzere Strecke als Neutrinos mit hoher Energie. Die Neutrinos im T2K-Strah haben eine Energie von ungefähr 600 MeV. Bei dieser Energie wandeln sich fast alle Neutrinos auf den 295 km zum SuperKamiokande Detektor um.
Seit 2014 nimmt T2K auch mit einem Myon-Antineutrinostrahl Daten. Man geht davon aus, dass beim Urknall Materie und Antimaterie zu gleichen Teilen entstanden sind, und es ist nicht klar, warum das heutige Universum ausschließlich aus Materie besteht. Die Verwendung eines Antineutrinostrahls kann es ermöglichen, eine Antwort auf dieses Problem zu finden, indem Antineutrino-Oszillationen mit Neutrino-Oszillationen verglichen werden.
Der T2K Detektor
Es ist wichtig, dass die Richtung des Neutrinostrahls auf 1/20 Grad stabil ist und dass die Strahlintensität über die Zeit konstant ist. Richtung und Intensität des Strahls werden täglich durch die Wechselwirkungen der Neutrinos mit dem Eisen im nahegelegenen Interaktiven Neutrino-GRID-Detektor (INGRID) überprüft, der aus einem Netz von vertikalen und horizontalen Modulen besteht. Dieser Detektor befindet sich 280 Meter vom Graphittarget entfernt und ist in der Richtung des Neutrinostrahls zentriert.
T2K untersucht Neutrino-Oszillationen mit zwei verschiedenen Detektoren, die beide in einem Winkel von 2,5 Grad zur zentralen Richtung des Neutrinostrahls angeordnet sind. Der Nahdetektor, ND280 (NearDetector280) genannt, ist ebenfalls 280 Meter vom Ziel entfernt und misst die Anzahl der Myon-Neutrinos im Strahl bevor Oszillationen auftreten. T2K-Neutrinos haben eine viel höhere Energie als Sonnenneutrinos, so dass diese hochenergetischen Neutrinos mit einer etwas größeren Wahrscheinlichkeit mit Materie wechselwirken können. Eine kleine Anzahl von Myon-Neutrinos wechselwirkt mit dem Szintillator oder dem Wasser in ND280, und viele dieser Wechselwirkungen erzeugen ein Myon. Das Myon ist ein geladenes Teilchen, das einfach nachgewiesen werden kann da es sowohl Gas ionisiert als auch Szintillationslicht produziert. Die ND280-Messungen werden verwendet, um die Anzahl der Myon-Neutrinos vorherzusagen, die im “Ferndetektor” SuperKamiokande zu sehen wären, wenn es keine Oszillationen gäbe.
Die meisten Neutrinos passieren den ND280, ohne zu wechselwirken, und reisen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit zum Super-Kamiokande (Super-K) Detektor. Dieser befindet sich 1000 Meter unter der Erde im Westen Japans und ist 295 km vom Ziel in Tokai entfernt. Am Super-K-Detektor gelangen die Neutrinos in einen sehr großen Zylinder mit hochreinem Wasser. Auch hier gehen die meisten Neutrinos ohne Wechselwirkung hindurch, aber aufgrund ihrer hohen Energien und der hohen Strahlintensität können einige Wechselwirkung mit dem Wasser aufgezeichnet werden.
Viele der Wechselwirkungen von Myon-Neutrinos erzeugen Myonen, während die Wechselwirkungen von Elektron-Neutrinos oft Elektronen erzeugen. Myonen und Elektronen sind geladene Teilchen, die beim Vorbeiflug Elektronen im Wasser verdrängen. Wenn die Wasserelektronen nach dem Vorbeiflug des geladenen Teilchens in ihre Gleichgewichtsposition zurückkehren, geben sie Licht ab. Wenn das vorbeiziehende geladene Teilchen schneller ist als die Lichtgeschwindigkeit im Wasser (die drei Viertel der Geschwindigkeit im Vakuum beträgt), wird dieses Licht in Form eines Kegels abgestrahlt, der als Tscherenkow-Strahlung bekannt ist. Die Wände von Super-K sind mit mehr als 10.000 empfindlichen Photovervielfacherröhren (sogenannten PMTs) ausgekleidet, die den Kegel des Tscherenkow-Lichts als Ring erkennen. Super-K kann Myonen (die einen scharfen Ring erzeugen) von Elektronen (die einen eher diffusen Ring erzeugen) unterscheiden.
Für eine fast aktuelle Ereignisanzeige von Super-K, klicken Sie hier. Sie sehen eine Karte der PMTs im Inneren des Super-K-Detektors von einem Ereignis, das vor kurzer Zeit aufgezeichnet wurde. Die Anzeige wird alle paar Sekunden aktualisiert. Dies ist nur eine zufällige Auswahl der Ereignisse, die jede Sekunde bei Super-K aufgezeichnet werden. (Für eine Erklärung der Ereignisanzeige klicken Sie bitte hier). Bei den meisten Ereignissen, die Sie sehen, handelt es sich um abwärts gerichtete Myonenspuren und NICHT um T2K-Strahlneutrinos! Tatsächlich werden die meisten Neutrino-Wechselwirkungen, die wir aus den Millionen von Ereignissen, die bei Super-K aufgezeichnet werden, herausfiltern, durch Neutrinos von der Sonne oder der Erdatmosphäre verursacht. Nur ein paar hundert Neutrino-Wechselwirkungen pro Jahr sind auf Strahlneutrinos zurückzuführen, die vom J-PARC kommen.
Die Oszillationen von Myon-Neutrinos zu Elektronen-Neutrinos wurden in Super-K als diffuse Ringe von Elektronen beobachtet, die bei Wechselwirkungen von Elektronen-Neutrinos mit dem Wasser entstehen. 28 Elektron-Neutrino-Ereignisse wurden in Super K beobachtet, während nur 4,6 erwartet worden wären, wenn es keine Oszillationen gegeben hätte. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese 28 Ereignisse auf einen anderen Prozess als die Oszillationen von Myon-Neutrinos zu Elektron-Neutrinos zurückzuführen sind, ist mit 10-13 sehr gering und bestätigt, dass diese Oszillationen stattfinden.
T2K untersucht auch Oszillationen von Myon-Neutrinos zu Tau-Neutrinos. Diese werden durch das Verschwinden von Myonneutrinos in Super-K im Vergleich zur ND280-Vorhersage ohne Oszillationen vermessen.
Vorteile eines Off-Axis Experiments
T2K ist das weltweit erste sogenannte Off-Axis Neutrinoexperiment bei dem ND280 und Super-K 2,5 Grad vom Zentrum des Neutrinostrahls entfernt sind.
Dieser Off-Axis Strahls hat einen engeren Energiebereich als der On-Axis Strahl und der Winkel und damit die Neutrinoenergie ist so gewählt, dass fast alle Neutrinos ihren „Flavor“ ändert, wenn sie Super-K erreichen. Die Neutrinoenergie ist ein wichtiger Parameter, um Neutrinooszillationen zu verstehen. Am genauesten kann diese bei Ereignissen durchgeführt werden, bei denen ein Neutrino mit einem Neutron im Detektor wechselwirkt und ein Myon und ein Proton erzeugt werden. Der Off-Axis Strahls hat einen größeren Anteil an diesen Ereignissen, wodurch T2K genauere Messungen der Neutrinoenergie vornehmen kann. Dies führt zu genaueren Messungen der Wahrscheinlichkeit von Neutrino-Oszillationen und Neutrino-Massendifferenzen als bei früheren Experimenten.